#3 Eine Reflektion zum Thema „Beschweren“

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Folge 3 des Tagebuchs – Über das Wort “Beschweren”

Samstagabend, 27.6.20 – 22:29 Uhr. Gerade nach Hause gekommen von einer Familienfeier. Auf solchen Feiern werde ich meist gefragt: „und, wie läufts? Wie ists im Beruf?“ Und der Impuls, mich zu beschweren, ist groß. Auf der zwei stündigen Fahrt habe ich viel darüber nachgedacht, warum. Ich bin einmal die ganze Beschwerdekette durch, bin zum Topmanagement und zurück, und dann kommt mir der Gedanke:  Ich will gerne Leute interviewen und sie fragen: Wann war der Zeitpunkt, als dein Beruf nur ein Job wurde? An dem dein Feuer ausging? Wer hat es dir ausgepustet?

Wann bist du zum Bewohner geworden, jemand, der Dienst nach Vorschrift macht? Jemand, der/die, wenn Arbeit verteilt wird durch Schweigen seiner/ihrer Führungskraft signalisieren will: „Ich bin stärker als du. Ohne, dass du mich umwirbst; ohne, dass du mich mit einer super Rede motivierst, mach‘ ich hier gar nichts! Du bist zwar Arbeitgeber, aber wenn ich deine Arbeit nicht nehme, kriegst du deine Arbeit nicht getan.“ Jemand, der die Motivation der anderen als karrieregeil abtut; der jeden Vorschlag, jede neue Idee blockiert und als Strategie des eigenen Vorteils betitelt, nur um sich selbst nicht eingestehen zu müssen, das die Worte Motivation und Inspiration einem nur noch auf Powerpoint Folien begegnen und man die innere Leere mit Frust aufgefüllt hat. Wann bist du jemand geworden, der sich am Feuer der anderen verbrüht und sich darüber beschwert, dass die anderen zu heiß sind?

Und wenn ich alles gehört habe, die ausführlichen Geschichten über die schlechten Führungskräfte; über die faulen Kollegen; das Große Projekt, das abgekündigt wurde, in das so viel Herzblut gesteckt wurde; die konstant überfordernde Arbeit oder die Menge; die eine Management-Entscheidung, die man nicht nachvollziehen konnte; über das große Ganze; über „das ist halt hier so“; dann frage ich:

„Warum hast du das Feuer nicht wieder entfacht?“

Ich denke viel über den Begriff „sich beschweren“ nach. Witzig, „sich beschweren“. Ich erleichtere mich offensichtlich nicht, indem ich das tue. Ein Umstand tut mir nicht gut und durch das beschweren beschwere ich mich. Schlimmer noch, es wird doppelt so schlimm. Ich bin schwer und der andere, bei dem ich mich beschwere, ja auch. Ein übliches Paradoxon. Man will das Eine und tut das Andere. Ich will Erleichterung. Erleichterung bekomme ich nur, wenn ich Lösungen umsetze für Probleme, die ich habe. Oder, wenn ich Lösungen konzipiere und jemand anderes sie umsetzt. Dann werden das Leben und ich leichter.

Ich neige dazu, mich zu beschweren. Die Fragen, die ich für mein Interview aufgelistet habe, stelle ich mir selbst. „Ist es schon soweit?“, frage ich mich: „Bist du schon eine „Bewohnerin“?“ Ich weiß, dass es nicht so ist. Aber ich weiß auch, dass das schnell kippt, weil beschweren so schön einfach ist. Ich weiß aber vor allem, dass ich angefangen habe, etwas zu tun, was mir gar keine Zeit mehr lässt, mich zu beschweren. Ich baue an meiner Zukunft. Ich kanalisiere mein Feuer, meine Motivation und meine Energie in ein eigenes Projekt: eine eigene Firma. Da hört mir dann auch im Zweifel keiner zu, wenn ich mich beschwere. Denn meine Partnerin ist unterwegs – auf Lösungssuche. Der Gedanke motiviert und erleichtert mich.

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